Inspektor Carters erster Fall
Mord in der Sturmnacht
Von John Miller
Sergeant Graham lenkte den Dienstwagen in halsbrecherischem
Tempo über die Stichstraße, hinaus auf die Halbinsel zur Villa der
Hillmanns. "Genau das richtige Wetter für einen Mord", fluchte
er. Regenböen peitschten vom See her über die Straße. Es war halb
sieben Uhr morgens.
Inspektor Carter hatte schon gehofft, den
Nachtdienst "ohne besondere Vorkommnisse" beenden zu können, als der
Anruf aus dem Haus der Hillmanns gekommen war.
"Vater ist tot", hatte der Anrufer gestammelt. "Ermordet, glaube ich.
Ich habe ihn eben gefunden. Bitte kommen Sie schnell."
Der Anrufer hieß Frank Hillmann, und die Adresse, die angab, war
Hillmann Mansions, draußen auf der Halbinsel. Der alte Frederick
Hillmann war einer der größten Brauereibesitzer der Gegend. Seit er
sich vor einigen Jahren aus seinen Geschäften zurückgezogen, galt er
als Sonderling. Nicht nur, daß er die Halbinsel mit einem Zaun und
einer dichten Hecke von der Außenwelt abgeriegelt hatte, er empfing
auch keine Besucher.
"Auch das noch!", fluchte Sergeant Graham und trat auf die Bremse. Ein
Kranwagen der Stadtwerke blockierte die Straße unmittelbar vor der
einzigen Zufahrt zur Halbinsel. Ein Bautrupp war dabei, einen Baum von
der Straße zu hieven, den der Sturm in der Nacht quer über die Fahrbahn
geworfen hatte. Im Sturz hatte der Baum auch noch eine Normaluhr
mitgerissen. Die Zeiger waren auf 3.15 Uhr stehengeblieben.
Es dauerte eine geschlagene Viertelstunde, bis die
Straße wieder passierbar war. Vor Hillmann Mansions parkte ein Rolls
Royce und ein italienischer Sportwagen.
"Vater rief mich gegen Mitternacht in London an",
sagte Frank Hillmann, als er den Inspektor empfing. "Er hatte Angst. Er
glaubte, jemand schliche ums Haus herum."
Carter musterte die Leiche des alten Frederick Hillmann. Der
Brauereikönig war erschlagen worden. Dann sah Carter Hillmanns Sohn an.
Ein hübsche junger Mann mit dem gewinnenden Lächeln eines Playboys.
"Sie sind mit Ihrem Sportwagen hergekommen?", fragte
Graham.
Frank nickte. "Gleich nach Vaters Anruf fuhr ich
los. Das war gegen ein Uhr. Von London bis hierher sind es achthundert
Kilometer..."
"Und jetzt haben wir 7.58 Uhr", grinste Sergeant
Graham. "Keine schlechte Leistung."
Hillmann fuhr sich nervös durchs Haar. "Ja, ich kam
vor einer halben Stunde mit meinem Sportwagen hier an. Vaters Rolls
Royce stand vorm Haus - das war schon ungewöhnlich. Als ich hereinkam,
fand ich ihn dann. So, wie Sie ihn hier sehen."
Inspektor Carter sah aus dem Fenster auf Frank Hillmanns roten
Sportwagen, der neben dem Rolls Royce des alten Frederick Hillmann
stand. Über die Stichstraße kamen die Kleintransporter von
Gerichtsmedizin und Spurensicherung herangejagt.
"Sie sind erst einmal festgenommen", sagte Carter zu Frank
Hillmann. "Ihre Aussage ist vollkommen falsch, und ich glaube, Sie
haben Ihren Vater getötet."
Was ist falsch an Frank Hillmanns Aussage?
Lösung:
Angeblich war Frank Hillmann erst eine halbe Stunde vor dem Eintreffen
des Inspektors mit seinem Sportwagen vor dem Haus seines Vaters
angekommen. Doch die einzige Straße, die zum auf einer Halbinsel
gelegenen Haus führt, war seit 3.15 Uhr von dem umgestürzten Baum
blockiert, der erst beiseitegeräumt wurde (siehe Hinweis), als
Inspektor Carter kam.
(C) by Autor / Bulls
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PS: Aktuelle Carter-Leser werden sich fragen, wer dieser Sergeant
Graham ist, mit dem Carter hier zusammenarbeitet - weil sie aus den
aktuellen Krimis als seine Kolleginnen entweder Detective Sergeant
Carolyn Graham oder Detective Sergeant Carolyn Brown kennen.
Nun - im Zuge von Emanzipation und Frauenförderung hat Carter, als sein
treuer Sergeant Graham in den Ruhestand ging, diese beiden weiblichen
Kolleginnen zugeteilt bekommen. Wobei Carolyn Graham die Tochter von
Sergeant Graham ist - sie begeisterte sich von Kindesbeinen an für die
Polizeiarbeit und gehörte bereits zu den besten Mordermittlerinnen von
Scotland Yard, als sie in Carters Mitarbeiterstab berufen wurde.
Die Geschichte dahinter
Carters erster Fall ist in vielerlei Hinsicht ein Klassiker. Der
Inspektor ermittelt hier wie in den meisten Fällen gemeinsam mit seinem
Kollegen Sergeant Graham. Die Lösung des Mordfalles basiert auf einer
Lüge eines der Verdächtigen, der Carter durch eine Beobachtung auf
die Spur kommt, die er auf dem Weg zum Tatort gemacht hat.
Die erste Fassung dieser Story war wesentlicher länger - weil ich
meiner Fantasie freie Bahn ließ und vieles am Tatort und im Verhalten
der Verdächtigen ausmalte, was mit wesentlich erschien. Doch ein
Carter-Krimi hat eine feste Länge - damit die Redaktionen ihn immer an
der gleichen Stelle einplanen können. Also musste ich mich von vielem
trennen, was in der ersten Fassung stand. Und ich begriff, dass es in
einem Ratekrimi im wesentlichen auf die Informationen ankommt, die man
zur Lösung des Falles braucht. Und darauf, dass man sie so gut wie
möglich vor dem Leser verstecken muss, damit er mitkombinieren kann und
nicht gleich beim ersten Lesen die Lösung bemerkt.
Die Ratekrimis mit Inspektor Carter werden von
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