Lexikon der deutschen Krimi-Autoren
seit 1986 im Dienste des Verbrechens....
Karr & Wehner

Unter dem Autorennamen Karr & Wehner veröffentlichten die Autoren H(anns)-P(eter) Karr und Walter Wehner seit Mitte der achtziger Jahre zahlreiche Kriminal- und Großstadtgeschichten, die erstmals zusammengefasst in dem Sammelband BERBERSOMMER erschienen.
Es folgten eine Reihe von Kriminalhörspielen und die Mitarbeit an den beiden Hörspielserien "Blakbox B1" und "Jezz abba feste" des WDR.
Mit der Figur ihres "Videogeiers" Heinrich "Gonzo" Gonschorek in dem Roman GEIERFRÜHLING schufen die Autoren einen ungewöhnlichen, interessanten und langlebigen Krimihelden. Neben anderen Auszeichnungen erhielten sie für den zweiten Gonzo-Roman RATTENSOMMER im Jahr 1996 den Friedrich Glauser Preis für den besten Krimi des Jahres.

In seiner Laudatio führte Jury-Mitglied Gisbert Haefs aus:

"Herr es ist gut, dein Sommer war sehr groß - die Leichenernte ist nun eingefahren": Mit diesen Worten des geschätzten Krimikollegen Edgar Agatha Rilke läßt sich trefflich das tiefe Glücksempfinden der Jury-Mitglieder beschreiben. Nachdem wir getreu der klassischen Anweisung "Round up the usual suspects" über 130 Verdächtige versammelt hatten, durften wir zunächst etliche von ihnen ausscheiden, deren Alibis überzeugend und nicht zu widerlegen waren - es handelte sich um Personen, die zur Tatzeit im Ausland weilten und zunächst über die Sprachgrenzen geschmuggelt werden mußten, oder Leute, die schon in früheren Jahren wegen desselben Vergehens einer Obduktion unterzogen wurden und nicht zum zweitenmal belangt werden konnten - hier blieb nach dem versehentlichen Exhumieren nur das erneute Verbuddeln.

Wieder andere gehörten einem gewissermaßen anthologischen Täterzirkel an; über kollektive Schuldzuweisungen hatte die Jury jedoch nicht zu befinden. Schließlich blieben einige Undercover-Provos zu entlarven - Jurymitglieder, die sich tückisch unter die Horde der Verdächtigen gemischt hatten. 108 Finsterlinge blieben übrig.

Leicht zu sagen: "Es ist vollbracht", die Täter sind überführt - aber wie? Die Juryarbeit ist ja nicht nur ein Whodunnit, sondern auch ein Whydunnit und Howdunnit. Es gab verschiedene interessante Vorschläge zur Durchführung der Ermittlungsarbeit. Da war zum Beispiel die grundsätzliche Erkenntnis, daß von allem, was Menschen herstellen, neunzig Prozent a priori Müll ist. Wir brauchten also nur neunzig Prozent wegzuwerfen und unter den restlichen zehn Prozent gründlich zu sieben, Indizien zu sammeln, Alibis zu befragen, Tatorte und Tatwaffen zu untersuchen, Schädel zu trepanieren und Kehlen zu schlitzen.

 Aber, liebe Freunde - zehn Prozent wären zehn komma acht Bücher gewesen, und kein Verlag hat, auch nicht auf inständiges Drängen, zugegeben, ein Buch im Gegenwert von null komma acht verfertigt zu haben. Der nächste Vorschlag lief auf eine Wiederholung der Auswahl der wahren Evangelien hinaus. Bekanntlich gab es etwa anderthalb Dutzend zum Teil widerstreitende Texte, und irgendwann gegen Ende des zweiten Jahrhunderts versammelten sich die zuständigen Bischöfe zu einem kriminologischen Konklave. Dabei wurde beschlossen, die fraglichen Schriftrollen aus größerer Entfernung auf einen Altar zu werfen, und es gefiel dem Heiligen Geist, alle fallen zu lassen, bis auf die Arbeiten der Herren Markus, Matthäus, Lukas und Johannes.

Diese galten hinfort als kanonisch, die übrigen als apokryph. Für uns war dies Verfahren nicht anwendbar, denn erstens haben Markus, Matthäus, Lukas und Johannes keine Werke eingereicht, und zweitens mangelte es uns am Zutrauen zur Mitwirkung der heiligen Geister von Poe, Wallace, Conan Doyle und Lady Agatha.

Es blieb also nur das lästige Selberlesen. Ein Jurymitglied geriet dabei auf animalische Abwege, von denen wir gleich Genaueres hören werden. Nachdem nun alles gelesen war, sammelten wir die Bücher und uns in der Wohnung des nie verzagenden Thomas Przybilka, und aus dem Stapel der 108 Werke zog jedes Jurymitglied jene, die es für preisenswert hielt - insgesamt etwa zwanzig. Die Titel wurden verlesen, alle Anwesenden sagten ja oder nein, und plötzlich hatten wir die fünf Bücher mit den meisten Jas: unsere Nominees. Von diesen fünfen wiederum lagen zwei deutlich vorn, und unter diesen zweien war eines, von dem eigentlich alle ohne große Debatte sagten, es sei dies eindeutig das herausragende Werk.

Es gab, wie immer, viele verschiedene Kriterien. Lesespaß, handwerkliches Können, überzeugende Gestalten, gute Dialoge, die Frage von Plot und Hintergründen. Schöne Bücher waren dabei - eines zum Beispiel mit schicken Dialogen und gutem Plot, geschrieben aus der Perspektive des Protagonisten, aber der allwissende Autor wechselte plötzlich mitten im Dialog die Perspektive und ließ wissen, was der Gesprächspartner des Protagonisten dachte. Ein anderer, bemerkenswerter Roman erzählt Dinge aus der Vergangenheit der Republik, mit einem interessanten Protagonisten, perfekten Dialogen, mit einem Plot, der verblüffende Haken schlägt - aber das Buch hat keine sinnliche Dimension, man sieht, hört, fühlt, riecht nichts.

Nur ein Buch hat wirklich alle und in jeder Hinsicht überzeugt: sauberer Plot, unsauberer Protagonist, schmieriger Hintergrund, schräge Dialoge, feine sinnlich wahrnehmbare Einzelheiten, die im Kopf des Lesers automatisch den "Film" erzeugen. Für erstklassiges Handwerk, trockenen Witz, unsentimentalen Realismus und straffe Spannung verleiht die Jury mit großem Vergnügen (und Dank für gute Unterhaltung) den GLAUSER in diesem Jahr dem Team Karr&Wehner für den Roman Rattensommer.
Quelle: Gisbert Haefs: Laudatio auf  H.P. Karr & Walter Wehner  (Gehalten auf der CRIMINALE GIESSEN 1996)








KRIMINALROMANE
1992  Berbersommer (Stories), A4-Vlg, OA
1994  Geierfrühling, Haffmans Verlag, OA HC (GONZO-Roman #1)
1995  Rattensommer, Haffmans Verlag, OA HC (GONZO-Roman #2)
1996  Blutiger Sommer, Henselowsky Boschmann, OA HC
1997  Tödliche Bücher, literacard, Delius, OA
1997  Hühnerherbst, Haffmans Verlag, OA HC (GONZO-Roman #3)
1997 Mord ist nichts für Männer ( ECON 25161) OA
1998 Eine böse Überraschung (Kettenroman mit Gisbert Haefs mit Frank Göhre, Janwillem van de Wetering, D.B. Blettenberg, Uta-Maria Heim, Jürgen Alberts, Helmut Ziegler, Peter Zeindler, Gunter Gerlach, Peter Schmidt, Robert Lynn, -ky, Tatjana Kruse, Robert Brack, Daniel Douglas Wissmann, Regula Venske, Thea Dorn, Georg M. Oswald, Ann Camones, Hartmut Mechtel, Virginia Doyle und Norbert Klugmann) (rororo 43296) OA
1999  Bullenwinter, Haffmans Verlag, Raben Krimi 8, OA HC (GONZO-Roman #4)
1999  als "Mike Jaeger": OMEGA-TEAM - Eurokiller, rororo 43375, OA
2000  Das John Lennon-Komplott (Jugendkrimi), Verlag der Criminale, OA (auch e-book)
2000 Das Gipfeltreffen (Kettenroman, gemeinsam mit  Doris Gercke, Ingrid Noll, Edith Kneifl, Regula Venske, Frank Göhre, Gisbert Haefs, Robert Hültner und Jürgen Alberts) Heyne, OA HC
2010 Feuerspiele (Jugendkrimi) Verlag an der Ruhr, OA


HÖRSPIELE
1989  Blackbox B1. Radio-Roman. Folge 9. Das Leben ist der halbe Tod oder: Gestern war heute noch morgen. WDR, 60 Min
1990  Blackbox B1. Radio-Roman. Folge 14. Das Leben, die Liebe, der Tod oder: PR und die Folgen. WDR 6 Min
1990  Blackbox B1. Radio-Roman. Folge 23. Nachtexpress oder: Der Schnee in den Gärten. WDR, 75 Minuten.
1992  Strasse frei, WDR/BR 50 Min
1992  Berberstar, ORB 15 Min
1993  Siebzehn gewinnt, RB 50 Min,
1994  Schlüsselfahrt, SFB/BR 50 Min
1994  Schöner sterben, WDR, 50 Min
1995  Jezz abba feste: Haste was in Aussicht, WDR 50 Min
1995 (mit Bernd Behrendt, Gabriele Kraiczek, Hartmut Przybilski, Eva Maria Striewe und Walter Wehner) Jezz abba feste: Schöne Bescherung allerseits, WDR 55 Min
1996  Jezz abba feste: Auf dem Höhepunkt mußt du aufhörn WDR, 60 Min
1996  Jezz abba feste: Immer wieder aufstehen, WDR, 60 Min

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