|
|
Die
besten Krimis des Jahres
|
20. Deutscher Krimi
Preis 2004
National
1.
Platz: D.B.
Blettenberg: Berlin, Fidschitown
(Pendragon)
Der Eurasier
Farang bekommt in Bangkok einen Auftrag, der
ihn nach Deutschland führt. In Berlin gerät Farang schon bald
zwischen die Fronten rivalisierender vietnamesischer Banden, die das
labyrinthartige
System aus Bunkern und Tunneln unter der Stadt beherrschen. In seinem
Thriller
unternimmt D.B. Blettenberg eine abenteuerliche Reise ins ferne
Thailand
und in die kriminelle Unterwelt Berlins.
Blettenberg
beginnt zwar seinen jüngst mit dem Deutschen Krimipreis
ausgezeichneten Krimi Berlin
Fidschitown mit einer Schießerei in Berlin. Aber es ist
eine Schießerei unter Berlins exotischen Antipoden. Während
oben die Geldtransporter mit neuen Euro herumfahren, kämpfen in
der Unterwelt verlassener Nazibunker und stillgelegter
U-Bahn-Schächte Chinesen, Süd- und Nordvietnamesen um die
Macht über Mädchenhandel, Juwelen- und Zigarettenschmuggel.
Tunnelkämpfe unter einem Berlin, in dem die Orientierungspunkte
den Stadtplänen Saigons und Hanois entnommen sind, schrille
Charaktere, Waffen, Sex. Blettenberg schreibt wie eine Uzi, auf
Einzelfeuer gestellt: mit kurzen trockenen Einschlägen.
Unverblümt exotisch."
(Tobias Gohlis / DIE ZEIT)
2.
Platz: Anne
Chaplet: Schneesterben
(Antje Kunstmann)
Einen Winter
wie diesen hat es in Klein-Roda noch
nicht gegeben.
Als der Schnee endlich schmilzt, findet man vor dem Bungalow der
Feriensiedlung
am Ortsrande einen Toten. Krista Regler, die Wochenendhausbesitzerin
gerät
in Verdacht, den Mann überfahren zu haben. Und: Sie gesteht.
Für
die Frankfurter Staatsanwältin Karen Stark ein klarer Fall. Nicht
so für Krista Reglers Verteidigerin. Sie sorgt dafür, das
während
der Verhandlung Indizien zur Sprache kommen, die Zweifel an der Schuld
der Angeklagten zulassen.
Mit Schneesterben
schließt Anne
Chaplet ihr deutsches Tableau,
mit dem sie in den letzten fünf Jahren konsequent gegen den
Zeitgeist der Republik gestichelt hat - in ebenso subtil wie
konsequent konstruierten Gesellschafts-Kriminalromanen über die
Wohlfühlgesellschaft der Toskana-Fraktion (Wasser zu Wein), über
Liebe und Verrat (Caruso singt nicht
mehr), das RAF-Trauma und seine
Folgen (Die Fotografin) bis
hin zu den untergründigen Beziehungen
zwischen Politik und Presse (Nichts
als die Wahrheit).
Das ist die Stelle, an der normalerweise zu sagen wäre, dass Anne
Chaplet gar keine Krimis schreibt, sondern "richtige" Romane - aber es
wird nicht gesagt, denn nichts wäre falscher. Wenn der
Kriminalroman
eine Gattung ist, die einen Blick auf die Zeit wirft, dann sind Anne
Chaplets Romane Kriminalromane wie sie sein sollten.
(Reinhard Jahn)
3.
Platz: Heinrich
Steinfest: Ein sturer Hund
(Piper)
Wer
ist die Mörderin, die ihre Opfer
porträtiert
und anschließend mit ritueller Präzision köpft? Und was
hat sie mit dem Wiener Privatdetektiv Cheng zu tun? Denn als er sich
selbst
porträtiert findet, startet sein Wettlauf gegen die Zeit, und er
muß
feststellen, daß nicht nur sein Mischlingsrüde Lauscher ein
sturer Hund ist Dies ist zweite Roman um den
einzelgängerischen,
sympathischen Detektiv Cheng.
Steinfests
Roman ist (Kunstindiz!) ein um sich kreisendes, ein
selbstreferenzielles System. Jedes Motiv spiegelt den Leserblick in ein
leeres Zentrum. Bei Lauscher „handelte sich um einen Hund. Einen
merkwürdigen Hund, dessen kleiner Körper und kurze Beine
einen
muskulösen Eindruck hinterließen. Wobei nicht jene Kraft
gemeint ist,
die einem der Anblick von Kampfhunden suggeriert. Oder der Anblick von
Sprintern. Nein, es war die Kraft, die nötig war, um einfach
stehenzubleiben. (…) Im ersten Moment war es jedoch etwas anderes, das
auffiel: nämlich seine Ohren, die viel zu groß waren, viel
zu hoch über
seinem kleinen Dackelschädel aufragten. In der Tat, dieser Hund
machte
auf Mortensen den Eindruck eines Hutträgers. Eines sturen
Hutträgers.“
Kenner erkennen: Hier geht es nicht um einen Hund, sondern um eine
Parodie. Da ist der Hund begraben.
(Tobias Gohlis / DIE ZEIT)
International
1.
Platz: Fred Vargas:
Fliehe
weit und schnell
(Pars
vite et reviens tard)
Deutsch von Tobias Scheffel
(Aufbau)
Auf Wohnungstüren im 18.
Arrondissement
erscheint immer
öfter eine seitenverkehrte 4, und als eines Morgens der erste
Tote,
und dann ein zweiter, in seiner Wohnung liegt, mit Flohbissen
übersät
und schwarz, wie die Legende von den Pesttoten des Mittelalters
berichtet,
erfaßt Panik die Pariser Bevölkerung. Kommissar
Jean-Baptiste
Adamsberg hat zwar bald festgestellt, daß die Opfer nicht an den
Flöhen pestinfizierter Ratten starben, sondern erdrosselt wurden,
doch die Lösung des Falles liegt noch weit...
2.
Platz: George
P. Pelecanos: Schuss ins Schwarze
(Right as
Rain)
Deutsch von Bettina Zeller
(Rotbuch)
Derek Strange ist schwarz und als
Privatdetektiv erfolgreich. Terry
Quinn ist weiß und kommt gerade so über die Runden. Als
Strange gebeten
wird, im Mordfall an einem schwarzen Cop zu ermitteln, lernen die
beiden sich kennen. Ein Paar wie Salz und Pfeffer. Terry spielt eine
zentrale Rolle in einem durch und durch undurchsichtigen Spiel. Und die
Fragen, die Derek Strange ihm stellt, sind für ihn eine
große Chance,
aus seiner Misere herauszukommen. Wenn er den richtigen Leuten die
richtigen Antworten gibt ...
George P. Pelecanos aus Washington schreibt seit über zehn Jahren
die andere Geschichte der amerikanischen Hauptstadt, die der
Kriminellen, Prostituierten, Drogenhändler - eine Geschichte
deprimierender Hoffnungslosigkeit. Es genügt zu wissen, daß
fünf Minuten vom Weißen Haus entfernt ein Drittel aller
Kinder und Jugendlichen unterhalb der Armutsgrenze lebt, um zu
verstehen, warum Pelecanos schreibt wie er schreibt und warum sein
schwarzer Detektiv Derek Strange Anfälle schwerer Tristesse hat,
bevor er dann doch aus dem Haus geht, um die gröbsten Schweine aus
dem Verkehr zu ziehen.
(Günther Grosser)
2.
Platz: George
P. Pelecanos: Eine süße Ewigkeit
(The
sweet forever)
Deutsch von Bernd W. Holzrichter (dumont)
Washington in den
süßen achtziger Jahren. Kokain überschwemmt die
Stadt. Marcus Clay, der schwarze Vietnamveteran, versucht seinen
Schallplattenladen aus diesem Chaos herauszuhalten. Doch selbst sein
Freund Dimitri Karras gönnt sich im Hinterzimmer gemeinsam mit der
schönen Donna eine Nase Koks. Da stirbt bei einem Autounfall
direkt vor
dem Laden ein Drogenkurier. Donnas Freund Eddie greift sich aus dem
brennenden Wagen einen Kopfkissenbezug voll Geld. Er wird der Gejagte
in einem Thriller aus Bandenkriegen und Blut, den Hits der Achtzigern
und der Suche nach Gerechtigkeit in einer Stadt ohne Gesetz.
3.
Platz: Christopher
G. Moore: Stunde Null in Phnom Penh
(Cut
out)
Deutsch von
Peter
Friedrich
(Unionsverlag)
In Phnom Penh hält die UNTAC nach dem
Bürgerkrieg
einen labilen Frieden aufrecht. Waffenhandel, Schmuggel und
Raubüberfälle
sind an der Tagesordnung, überall ist Korruption, ein
Menschenleben
ist nichts wert. Jede Nacht hört man Schüsse an illegalen
Checkpoints.
Hier soll Vincent Calvino einen Mann namens Hatch ausfindig machen, den
Geschäftspartner eines Ganoven in Bangkok. Doch er ist nicht der
Einzige,
der Hatch sucht.
Moores brillanter Kriminalroman ist ein prachtvolles, höchst
abenteuerliches, extrem fesselndes und weitgehend illusionsloses
Sittenbild aus dem Kambodscha des Übergangs von Völkermord
und
Bürgerkrieg zu Marktwirtschaft und demokratischer Normalität.
Dieser
Roman ist der Glücksfall eines Kunstwerkes, aus dem man mehr und
immer
noch mehr schöpfen kann, so viele Geschichten, Bedeutungen und
Ebenen
schwingen in dem Buch mit. Charaktere, Story, Erzählweise,
Dramaturgie
– Stunde Null in Phnom Penh
ist rundum gelungen.«
(Ulrich Noller)
Eine öffentliche Preisverleihung an Detlef Blettenberg, Anne
Chaplet, Fred Vargas und Christopher G. Moore fand im Rahmen des
Festivals MORD AM HELLWEG
am 30.9.2004 im Lichtkunstzentrum Unna statt.
Die Jury
Kritiker: Volker Albers (Hamburger
Abendblatt) / Andreas
Ammer
(ARD) / Sönke Boldt (Badische Neueste Nachrichten) / Joachim
Dörr
/ Tobias Gohlis (DIE ZEIT) / Günther Grosser / Reinhard Jahn
(Bochumer
Krimi-Archiv) / Heinz Jakubowski / Hermann Kling / Alf Mayer / Ulrich
Noller
(WDR) / Michaela Pelz (krimi-forum.de) / Wolfgang Platzeck
(Westdeutsche
Allgemeine Zeitung) / Wilhelm Roth / Jan Christian Schmidt
(kaliber38.de)
/ Erhard Schütz / Sylvia Staude (Frankfurter Rundschau) / Willy
Theobald
(Financial Times Deutschland) / Jürgen M. Thie / Bettina Thienhaus
(epd-film) / Karl Wegmann / Thomas Wörtche (nur Kategorie
NATIONAL)
Krimi-Buchhandlungen: Gabriele Fauser
(Glatteis,
München)
/ Juliane Hansen (Under-Cover, Stuttgart) / Christian Koch (Hammett,
Berlin)
/ Thomas Przybilka (Missing Link, Bonn) / Christine Gümpel
(Tatort,
Mannheim) / Manfred Sarrazin (Alibi, Köln) / Robert Schekulin
(UFO,
Freiburg) / Tilman Thiemig (Mord & Totschlag, Braunschweig) / Udo
Aschemeyer
(Heiner K, Hamburg)
|
|
www.deutscher-krimipreis.de |
|