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Die
besten Krimis des Jahres
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1. Deutscher Krimi
Preis
1985
National
1. Platz: Helga
Riedel: Einer muß tot
Es erschien ihm ganz und gar
unglaublich, dass sie getötet haben
sollte, und es gab, soweit er sehen konnte, auch nicht das geringste
Motiv.
Dennoch beharrte Anna auf ihrem Geständnis, sie, und nicht Broder
Jensen, habe Ahmet Adanir mit der eisernen Pegasusfigur erschlagen.
Anna Wildenbruch, genauer Anna Adanir, denn sie ist ja standesamtlich
getraut worden, hatte Ahmet vor einem halben Jahr kennengelernt, als
sie zwei anderen Türken Deutschunterricht gab. Das war der Anfang
einer Beziehung gewesen, die mit unausweichlicher Konsequenz in die
Katastrophe mündete.
Das
beeindruckende Debüt einer jungen deutschen Autorin, die sich
sowohl sprachlich als auch inhaltlich auf einen völlig neuen Weg
begeben hat. Die packende Geschichte wird in einer interessant
stilisierten Sprache erzählt, die den leser zwischen
Identifikation und beobachtung hin- und herpendeln lässt und ihn
auf diese Art in Spannung versetzt.
(Reinhard Jahn)
Helga
Riedel: Wiedergänger
(beide Rowohlt)
Ein kleiner Ort im Nordosten von Schleswig-Holstein, ein verschlafenes
Dorf an der Küste, ist aus seiner beschaulichen Ruhe aufgescheucht
worden. Erst taucht ein Fremder auf, dann wird auf Freda geschossen,
das Grab ihres Mannes aufgebrochen, eine unbekannte Frauenleiche
gefunden und schließlich noch ein Kind entführt. Das wird
selbst dem friedfertigen Polizeiobermeister Krüger zuviel, und er
ruft seinen Kollegen aus Flensburg zu Hilfe. Aber es scheint sehr
fraglich, ob der Licht in das Dunkel der Ereignisse bringen kann.
Sicher das Beste, was auf dem Gebiet des jungen deutschen
Kriminalromans geschrieben worden ist. Im Gegensatz zu dem direkten und
realistisch angelegten Erstling Einer
muss tot ist Wiedergänger
eine märchenhaft-mythische Geschichte, die besonders durch das
psychologische Gegeneinander der Personen und die atmosphärischen
Landschaftsschilderungen besticht.
(Reinhard Jahn, 1985)
2. Platz: Werner
Waldhoff: Des einen oder des
anderen Glück
Eine Art Park. Vereinzelte Bäume, ein paar Büsche,
Blumenbeete ohne Blumen. Bei schönem Wetter sitzen hier Rentner,
die aber allmählich von einer kleinen Pennerkolonie vertrieben
werden.
Neben der Einmündung eines Gehweges steht ein Denkmal. Auf der
Bank daneben sitzt Dohnert, einen schwarzen Aktenkoffer auf den Knien.
Gelegentlich wirft er einen Blick auf seine Armbanduhr, dann schaut er
wieder zu den paar Pennern hinüber, die zwei Flaschen in
Plastiktüten kreisen lassen.
"In hektischer Aufregung scheint er nicht gerade zu sein", sagt Max.
"Wozu auch? Er liefert das Geld ab, und damit hat sich's für ihm",
sagt Didi. "Wir sollten aufgeregt sein. Für uns stehen immerhin
fünfzigtausend auf dem Spiel. Abgesehn davon, ich bin aufgeregt."
Ein deutscher Krimi, der im Milieu der Subkultur und Halbwelt
angesiedelt ist. Die Storyline liefert keine großen
Überraschungen, aber darauf hat es der Autor auch gar nicht
abgesehen. Ihn interessieren die Beziehungen seiner Charaktere, ihre
Positionen gegenüber Recht und Unrecht, ihr Pendeln zwischen Moral
und Unmoral. Das alles wird brillant in Szene gesetzt.
(Reinhard Jahn)
2. Platz: Werner
Waldhoff:
Ausbruch
(beide
Rowohlt)
Penn verdient seine Kohle mit dem
Verschieben von geklauten Autos. Das ist ganz einträglich. Nur
durch einen dummen Zufall erkennt ihn einer der bestohlenen
Autobesitzer auf der Straße wieder. So wird er geschnappt und
soll für fast vier Jahre hinter Gitter.
Der Knast ist eine verdammt neue Welt für ihn, aber er lernt
schnell und kapiert, dass er die Zeit hier nicht heil überstehen
kann. Also plant er seinen Ausbruch. Um Einfälle ist er nicht
verlegen. Aber für seinen todsicheren Plan braucht er einen
Komplizen. Penn kennt zwar schon eine Menge Tricks, doch er hat noch
nicht gelernt - sonst hätte er gewusst, dass er im Knast niemand
trauen darf.
Penn ist ein Mitläufer in der Spontiszene, und sein Weg in den
scheinbar unausweichlichen Tod wird knapp, lakonisch, aber mit
großem Gefühl für Stimmungen beschrieben. Diese
Einsamkeit der
Straßen, die Werner Waldhoff zu vermitteln versteht, ist sein
großes Plus.
(Reinhard Jahn)
3. Platz: Frieder
Faist: Schattenspiele
(Haffmans)
Ein Arbeitsloser hat Zeit. Ein Dichter braucht Geld. Eine kleine
Großstadt vergibt alle zwei Jahre einen happigen Literaturpreis
an ein Kind der Region: Warum immer an die rechten Langweiler?
Auf der Suche nach dem Autor der Schattenspiele
findet der Arbeitslose
einen neuen Job als Philipp Marlowe der deutschen Provinz. Er
gerät immer tiefer in einen fetten Filz.
Ein ausgezeichneter Kriminalroman, ganz ohne Leichen, fast ohne
Schlägereien und ohne spektakuläre Action. Seine Stärke
liegt in der Entwicklung einer stimmigen, dichten lokalen
Atmosphäre, in der sich die Schilderungen des Ambientes mit den
Personenzeichnungen perfekt ergänzen.
(Reinhard Jahn)
International
1. Platz: Alan
Furst:
Tödliche
Karibik
(The Carribean account)
Deutsch von Michael K. Georgi
Die superreiche Erbin Fiona de Scodellaire verfällt dem Sektenkult
des verrückten Psychiaters Charles Early Smith, der natürlich
nur an ihrem Geld interessiert ist. Die Scodellaire-Anwälte
beuftragen den Privatdetektiv Roger Levin, Fiona aus seinen Krallen zu
befreien. Die Spur führt Levin nach St. Maarten, einer karibischen
Insel, auf der Smith ein altes Fort besitzt...
Ein unkonventionell geschriebener Thriller, der sich sich sehr deutlich
seiner klassischen Vorbilder bewusst ist, aber die Moral und den
Impetus der Chandlers und Hammetts weiterentwickelt und in die aktuelle
Gesellschaft transportiert.
(Reinhard Jahn)
Geschäfte
im Schatten
(The Shadow trade)
Deutsch von Bernd W. Holzrichter
(beide Ullstein)
Guyer gehört zu den 820 CIA-Agenten, die 1977 auf einen Schlag
entlassen worden waren, und er hat sich gemeinsam mit dem brillanten
Computerfachmann Richard List selbstständig gemacht: Mit einem
privaten Geheimdienst, der Metro
Data Research. Die Aufträge der
beiden basieren auf der Theorie, dass jeder Mensch einen
Doppelgänger hat und man ihn nur finden muss. Doch warum sucht der
französische Geschäftsmann Benauti ausgerechnet das Double
des internationalen Söldners Delatte?
Eine brillante Story, brillant erzählt, voller glitzernder
Facetten und Beobachtungen, inszeniert mit dem Timing einer Rolex.
Aktuell vor einem Hintergrund geheimnisvoller Schattengeschäfte
privater und staatlicher Geheimdienste angesiedelt, ist Geschäfte
im Schatten die
perfekte Synthese aus Geheimdienst- und Großstadtroman.
(Reinhard Jahn, 1985)
2. Platz:
Anthony Price: Ein Spiel
für Profis
(War Game)
Deutsch von Ute Tanner
(Ullstein)
Rätsel der Geschichte, Piraterie, Bürgerkrieg und
plötzlicher
Tod - das sind nur einige Stichworte zur Historie des Goldschatzes von
Oliver Cromwell im Werte von über zwei Millionen Pfund, der in
Standingham Castle, Wiltshire, gefunden wurde.
Der Entdecker dieses riesigen Vermögens ist Charles Ratcliffe, der
das
Schloß kürzlich erbte. Aber Charles kann sich darüber
nicht lange
freuen. Er wird ermordet. Und dann nimmt sich Dr. Audley vom britischen
Geheimdienst dieses Falles an...
Anthony Price:
Die
Chandos-Falle
(The '44 vintage)
Deutsch von Thomas
Schlück
(Rowohlt)
Der junge Corporal Butler gerät 1944, in den letzten Tagen
des II. Weltkrieges, in die zwielichtige Truppe von Major O'Conor, zu
der auch der junge Second Lieutenant David Audley gehört.
Angeblich soll diese "Chandos-Truppe" einen Schatz bergen, ehe
Franzosen oder Amerikaner ihn auf ihrem Vormarsch finden. Doch sobald
die Einheit hinter den deutschen Linien operiert, wird Butler klar,
dass einige Kameraden den Einsatz zur persönlichen Bereicherung
nutzen wollen.
Ein David Audley-Roman, in dem Anthony Price den II. Weltkrieg diesmal
nicht durch die Annährung aus der Gegenwart thematisiert, sondern
sich direkt in die historische Dimension begibt. Mit der geschickt
entwickelten Geschichte eines dubiosen Kommandounternehmens gelingt ihm
eine ausgezeichnete, ausgewogene Mischung von Anteilnahme,
Betroffenheit
und ironischer Brechung.
(Reinhard Jahn)
3. Platz:
Thomas Perry: Abrechnung
in Las Vegas
(The butcher's boy)
Deutsch von Friedrich A. Hofschuster
(Goldmann)
Er ist ein Mafia-Killer, der einen Gewerkschafter und einen Senator
töten soll und dafür in Las Vegas groß abkassieren
will. Er nennt sich selbst den 'Sohn des Schlächters'. Die Jagd
auf ihn eröffnet die attraktive Elizabeth Waring, eine junge
Datenanalytikerin im Justizministerium. Doch gefährlich wird es
für den Killer erst, als er sich bei einem Unfall schwer im
Gesicht verletzt. Das Stigma macht ihn für seine Auftraggeber zu
einem untragbaren Risiko.
Absolut
überzeugend durchleuchtet dieser auch mit dem Edgar
Allan Poe-Award (Best
First Mystery Novel) ausgezeichnete Roman mit einem überaus
spannenden Plot die Beziehungen zwischen Verbrechen und
Gesellschaft. Sorgfältig erzählt und präzise in der
Darstellung entwirft Thomas Perry das Bild einer Underworld USA mit ihren geheimen
und halboffizielle Machenschaften, das bedrückend und faszinierend
zugleich ist.
(Reinhard Jahn)
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