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Die
besten Krimis des Jahres
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34. Deutscher Krimi
Preis 2018
National
1. Platz: Oliver Bottini: Der Tod in den stillen Winkeln des Lebens (dumont)
Banat/Rumänien
2014: Ioan Cozma hat abgeschlossen mit der Welt. Der Kripo-Kommissar
lebt allein, es sind nur noch ein paar Jahre bis zu seiner
Pensionierung. Doch die Welt will ihn nicht in Ruhe lassen.
Ausgerechnet Cozma wird die Ermittlungsleitung in einem brutalen
Mordfall übertragen: Die junge Lisa Marthen, eine Deutsche, wurde
erstochen aufgefunden. Ihrem Vater gehört ein landwirtschaftlicher
Großbetrieb, und der Verdacht fällt auf einen seiner jungen
Feldarbeiter, der in Lisa verliebt war und seit ihrem Tod verschwunden
ist. Als eine Spur nach Mecklenburg führt, macht Cozma sich auf den Weg
– und muss feststellen, dass er dort nicht der Einzige ist, der für
Gerechtigkeit sorgen will …
»Der Tod
in den stillen Winkeln des Lebens« erzählt von der Wirklichkeit der
Globalisierung, vom Landraub der Agrarkonzerne und ihren verheerenden
Wirkungen auf Mensch und Land, von den einschneidenden Veränderungen
des Lebens in Europa nach 1989, von menschlichen Verlusten und winzigen
Gewinnen, von Trauer und Leid. Aber all dies ist in keinem Moment
abstrakt, sondern immer ganz konkret in seinen Figuren beglaubigt. Von
ihrer Tapferkeit weiter zu leben, trotz aller Ohnmacht. »Der Tod in den
stillen Winkeln des Lebens« ist ein Roman, den jeder lesen sollte. Er
gibt Auskunft über das Große und Kleine in unseren unübersichtlichen
Zeiten.
(Tobias Gohlis)
2. Platz: Monika Geier: Alles so hell da vorn (Ariadne bei Argument)
Welch
ein Skandal! In einem runtergekommenen Bordell mit minderjährigen
Mädchen in Frankfurt am Main wird ein Polizist mit seiner eigenen
Dienstwaffe erschossen! Der Mann trug seine alte grüne Uniform, und er
war mit Sicherheit nicht aus ermittlungstechnischen Gründen vor Ort. Da
es sich um einen Kriminalbeamten aus Ludwigshafen handelt, werden
mitten in der Nacht die Kollegen aus Rheinland-Pfalz hinzugezogen.
Unter ihnen: Bettina Boll – vermutlich im deutschsprachigen Raum die
einzige kriminalliterarische Ermittlerin, die halbtags tätig ist.
»Alles so hell da vorn« ist der siebte Roman von Monika Geier um die
leicht chaotische Kommissarin vom Ludwigshafener K11: immer etwas zu
spät dran, immer etwas desorganisiert, immer etwas underdressed
– aber mit so kluger wie genauer Beobachtungsgabe und messerscharfem
Verstand, denn sie hat sich ein fast kindliches Staunen bewahrt, das
nur wenig als gegeben hinnimmt. Von anderen wird sie deshalb oft als
naiv unterschätzt. Doch was wie Intuition scheint, ist das Ergebnis
blitzschneller Kombination von Gesehenem und Gehörtem,
unkonventionellem Denken und dem analytischen Rückgriff auf
Erfahrungen. Darin – und nur darin – ähnelt Monika Geier ihrem Vorbild
Agatha Christie. In allen anderen Punkten hat sie die Britin längst
meilenweit überflügelt.
(Kirsten Reimers)
3. Platz: Andreas Pflüger: Niemals (Suhrkamp)
Das »Niemals« des Titels ist das Damoklesschwert der dauerhaften
Erblindung, das über der Ausnahmepolizistin Jenny Aaron hängt, seitdem
sie in Barcelona bei einer Verfolgungsjagd eine Kugel in den Kopf
bekam. Aaron, »gefährlich wie ein Raubtier in freier Wildbahn«, und
eine überaus interessante Frauenfigur, gehört zu einer international
operierenden Sondereinheit, der »Bad Bank der deutschen Polizei«, nur
»Die Abteilung« genannt.
Es klingt ein wenig irrsinnig, dass der Verlag den Plot schon auf der
Umschlagseite verrät: »Stell dir vor, du erbst zwei Milliarden Dollar –
von deinem Todfeind.« Aber es stellt sich heraus, dass das nur der
Dosenöffner für eine heftigere Geschichte ist. An den Adrenalingehalt
dieses Buches reichen vermutlich nur Rennfahrer- und
Bergsteiger-Biografien heran. Doch auch das intellektuelle und
literarische Vergnügen ist beträchtlich. Plot und Dialoge funkeln, die
Sprache ist straff wie Klavierdraht. Ganz im Sinne Elmore Leonards sind
alle überflüssigen Worte gestrichen. Auch international gibt es derzeit
niemanden, der Pflüger das Wasser reichen könnte: Spannungsliteratur
auf höchstem Niveau, perfekt geschliffen wie der Koh-i-Noor.
(Alf Mayer)
International
1. Platz: John le Carré: Das Vermächtnis der Spione
(A Legacy of Spies)
Deutsch von Peter Torberg (Ullstein)
1961 starben an der Berliner Mauer sterben zwei Menschen, Alec Leamas, britischer Top-Spion, und seine Freundin Liz Gold.
2017 wird George Smileys ehemaliger Assistent Peter Guillam ins
Innenministerium einbestellt. Die Kinder der Spione Alec Leamas und
Elizabeth Gold drohen, die Regierung zu verklagen. Die Untersuchung
wirft neue Fragen auf: Warum mussten die Agenten an der Berliner Mauer
sterben?
Unschlagbar ist le Carré
immer noch in der Eleganz seiner Dialoge, dem artifiziellen
Geheimdienst-Jargon, der ein eigenes sprachliches Universum aufmacht
(glänzend getroffen von Peter Torberg) und in der Virtuosität, mit dem
jeder Satz drei- und vierfach kodiert ist. Sprache als Desinformation,
aber ungemein kommunikativ: Das ist ein Punkt, der brandaktuell ist.
Und le Carré wäre nicht le Carré, wenn »Das Vermächtnis der Spione« nur
eine nostalgische oder selbstreferentielle Veranstaltung wäre. Im
Gegenteil. Der Roman sitzt ganz fest im Hier und Jetzt.
(Thomas Wörtche)
2. Platz: Viet Thanh Nguyen: Der Sympathisant
(The Sympathizer)
Deutsch von Wolfgang Müller (Blessing)
Viet
Thanh Nguyen erzählt von einem Mann, der während des endenden
Vietnamkrieges Adjudant eines Generals im mit mit den USA verbündeten
Süden ist, tatsächlich aber für »den Vietkong«, also für den
kommunistischen Norden als Agent arbeitet. Als die USA sich
zurückziehen, flieht dieser Erzähler, Sohn einer Vietnamesin und eines
französischen Priesters, mit einer Gruppe von Offizieren und deren
Familien in die Staaten – wo seine »heimliche« Arbeit allerdings nicht
endet, wo er nicht bloß die Amerikaner, sondern auch die
vietnamesischen Exilanten ausspionieren soll; mit dem Ende des
Vietnam-Krieges, das in eindrücklichen Bildern beschrieben wird, geht
die Geschichte also erst so richtig los.
Eine Geschichte, die zwar auch Strukturen des Spionageromans bedient –
mindestens ebenso sehr aber ein autobiografisch geprägter Blick auf´s
Gelobte Land der Vereinigten Staaten aus Perspektive eines
vietnamesischen Einwanderers ist, der gleich in mehrfacher Hinsicht ein
Identifikationsproblem hat. Plus – der Vietnamkrieg: Tatsächlich ja
eine militärische Niederlage der USA mit Pauken und Trompeten, die
allerdings durch unzählige Vietnam-Geschichten in Film und Literatur
»gefühlt« fast relativiert wurde – Viet Thanh Nguyen setzt dieser stets
us-egozentrischen Perspektive in seinem stilistisch hervorragenden
Roman ein Bild entgegen, in dem auch Mal »die« Vietnamesen eine
entscheidende Rolle spielen.
(Ulrich Noller, WDR)
3. Platz: Jérôme Leroy: Der Block
(Le Bloc)
Deutsch von Cornelia Wend (Nautilus)
Seit
vier Monaten toben in ganz Frankreich die Aufstände, die Zahl der
Todesopfer steht bei 752 – und der rechte »Block Patriotique« ist kurz
davor, dieMacht zu übernehmen. Das ist die Ausgangslage in Jérôme
Leroys erschreckend aktuellem Kriminalroman »Der Block«.
Leroy erzählt die Geschichte des »Blocks« mit Hilfe zweier Figuren, die
auf unterschiedliche Weise den Aufstieg der Rechten in Frankreich
illustrieren. Stanko, einer aus der brutalen Schutztruppe der Partei,
der vom marginalisierten Rand der Gesellschaft in die Arme der Rechten
getrieben und dort ausgebildet wurde, jetzt aber die Liquidation
fürchten muss, weil er zu viel Dreck am Stecken hat. Der andere ist
Antoine, Ehemann der Parteivorsitzenden und intellektueller Karrierist,
dem nun die Türen der Politik offenstehen.
All das serviert Jérôme Leroy in zwei ständig wechselnden Erzählströmen
voller Intensität und mit einem Engagement, das an die Grenzen des
Erträglichen geht. Er sieht sich dabei in der Tradition des sogenannten
Neo-Polar, jener französischen Variante des Kriminalromans, die sich
als zeitgemäße Form sozialer Literatur mit linker Prägung versteht.
(Günther Grosser, Berliner Zeitung)
Die Jury Volker
Albers (Hamburger Abendblatt) / Andreas Ammer (ARD) / Monika Dobler
(Krimibuchhandlung Glatteis, München) / Jens Dirksen (WAZ Kultur) /
Joachim Feldmann (Kritiker) / Tobias Gohlis (Die Zeit) / Günther
Grosser (Kritiker) / Nele Hoffmann (Literaturwissenschaftlerin) /
Cornelia Hüppe (Krimibuchhandlung Miss Marple, Berlin) / Reinhard Jahn
(Bochumer Krimiarchiv) / Hermann Kling / Christian Koch
(Krimibuchhandlung Hammett, Berlin) / Alf Mayer (Kritiker CrimeMag) /
Peter Münder (Kritiker) / Ulrich Noller (WDR) / Michaela Pelz
(krimi-forum.de) / Thomas Przybilka (BoKAS) / Kirsten Reimers
(Kritikerin) / Robert Schekulin (Kritiker, Buchhändler) / Jan C.
Schmidt (kaliber38.de) / Sylvia Staude (Frankfurter Rundschau) /
Bettina Thienhaus (Kritikerin) / Jutta Wilkesmann (Krimibuchhandlung
Die Wendeltreppe, Frankfurt) / Thomas Wörtche (Kritiker)
Die Kritiker der Jury stimmen nicht für Titel, an deren Veröffentlichung sie aktiv beteiligt sind.
Der Deutsche Krimi Preis...
...ist der älteste deutsche
Krimipreis. Seit 1985 zeichnet eine Jury aus
Krimi-Kritikern, Literaturwissenschaftlern und Krimi-Buchhändlern
die besten Kriminalromane des Jahres aus.
Mit dem Deutschen Krimi Preis - vergeben in den Kategorien National und
International - werden jeweils drei Romane gewürdigt, die
"inhaltlich originell und literarisch gekonnt dem Genre neue Impulse
verleihen."
Der Deutsche Krimi Preis ist undotiert und wird - ungewöhnlich in
der Szene der Literaturpreise - in der Regel nicht öffentlich verliehen,
sondern lediglich der Öffentlichkeit bekannt gegeben.
Auf dieser Seite finden Sie neben einem Verzeichnis aller
ausgezeichneten Romane Informationen darüber, wer zur Jury gehört und wie die Teilnahmebedingungen
sind.
Außerdem können Sie sich über die Entstehung und
Geschichte des Preises informieren und etwas über die 119 besten
Krimis aller Zeiten erfahren, die von einer Jury ermittelt wurden.
Für alle Fragen, die nicht in der FAQ
zum Deutschen Krimi Preis beantwortet werden, gibt es die
Möglichkeit, diskret Kontakt mit dem
Organisator aufzunehmen.
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www.deutscher-krimipreis.de |
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