Kommissarin Claudia Kant von der SoKo Ruhrgebiet war stets im
Sommer unterwegs - als Ferienaktion in der WAZ. Wer mit ihr gemeinsam
ihre Fälle löst, kann dicke Buchpakete gewinnen - natürlich alles
Krimis.
Kommissarin Claudia
Kant
betritt den Festsaal mit gemischten Gefühlen. Die Einladung zum
"Ehemaligentreffen des Alfred-Krupp-Gymnasiums" ist vor zwei Monaten in
ihrem E-mail-Postfach gelandet.
An den Wänden stehen Tafeln mit
alten Klassenbildern und am Rednerpult hält gerade ein großer, hagerer
Mann eine Rede. Es ist Roger Moeller, der Hochsprungmeister des
Schulteams - an ihn kann Claudia sich
noch
erinnern. Bei den meisten der anderen Gästen streikt ihr Gedächtnis.
Immerhin liegt ihre Schulzeit schon mehr als zehn Jahre zurück.
Dünner Applaus belohnt Roger Moeller. "Ein Foto!", ruft ein
Zeitungsfotograf. "Bitte, meine Damen und Herren, einmal aufstellen."
Es dauerte eine Weile, bis sich alle 50 ehemaligen Schüler
zusammengestellt haben. "Der Herr mit der roten Jacke bitte mal neben
den Redner!", arrangiert der Fotograf. Ein Glatzkopf, der mehr als
einen Kopf kleiner ist als Roger Moeller, stellt sich neben den
ehemaligen Hochsprungmeister.
"Wunderbar!" Der Fotograf schießt sein Bild. Roger Moeller kommt zu Claudia, während der Glatzkopf in dem roten
Jackett sich schon einen Platz am Büfett sichert.
"Hallo Claudia!"
Roger lächelte sie mit diesem Lächeln an, das sie schon damals hat
schwach werden lassen. "Außer dir erkenne ich kaum einen wieder!",
sagte er. "Der Glatzkopf in der roten Jacke zum Beispiel . . ."
"Das ist Fred Witzigmann!", mischte sich ein früh ergrauter
Westenträger mit Brille ein. Er ist ebenso groß wie Roger Moeller, aber
bei weitem nicht so schlank wie dieser. Die Narbe am Kinn des
Westenträgers weckt eine Erinnerung bei Claudia.
"Max Schneider?"
"Richtig!", lacht Schneider. "Und ihr seid das Traumpaar des Jahrgangs
1996! Claudia und Roger."
"Ich frage mich, wer dieser Glatzkopf ist", weicht Roger dem Thema
elegant aus.
"Das ist Fred Witzigmann", erklärt Schneider. "Ich habe ihn auch nicht
gleich erkannt, aber er hat sich mir vorgestellt. Wir waren mal
zusammen in der Theatergruppe." Schneider steuert eine der Bildertafeln
an. "Wir haben 'Warten auf Godot' aufgeführt."
Er deutet auf
ein Bild der Theateraufführung. "Hier, das bin ich - ich habe den
Estragon gespielt. Und hier, das ist Fred Witzigmann. Er hat den Lucky
gespielt."
Auf dem alten Foto der Theateraufführung steht neben dem
sehr jugendlichen Max Schneider ein kräftiger Bursche mit dichten
blonden Locken. Er ist genauso groß wie Schneider und hat kumpelhaft
seinen Arm um ihn gelegt.
Claudia runzelt die Stirn.
"Es wird Zeit, dass das Büffett eröffnet wird!", meint Moeller. "Aber
vorher", sagt Claudia,
"sollten wir den Kerl, der sich als Fred Witzigmann ausgibt, freundlich
hinausbitten. Denn es ist ganz klar, dass er nicht unser ehemaliger
Mitschüler ist. Wahrscheinlich hat er sich eingeschlichen, um sich am
Büfett durchzuschnorren."
Was war Claudia aufgefallen?
Lösung: Der angebliche Fred
Witzigmann war mehr als einen Kopf kleiner als
Roger Moeller (siehe Hinweis), Max Schneider war ebenso groß wie
Moeller, und auf dem alten Bild der Theateraufführung war Fred
Witzigmann ebenfalls genauso groß wie Schneider. Also hätte der echte
Fred Witzigmann auch so groß wie Moeller sein müssen. Das war er aber
nicht, wie sich zeigte, als der Zeitungsfotograf ihn neben Moeller
stellte. Niemand wird im Lauf von 10 Jahren mehr als anderthalb Köpfe
kleiner.
H.P. Karr:
Täterhatz mit der WAZ
Krimi-Serie für Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Sommer 2005 und 2006, je 7 Teile
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