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Die
besten Krimis des Jahres
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22. Deutscher Krimi
Preis 2006
National
1.
Platz: Norbert
Horst: Todesmuster
(Goldmann)
Vor einer stillgelegten Erzmine
in der Nähe des Dorfes Ingsen wurden
Blutspuren gefunden. Reine Routine, denkt Kommissar Kirchenberg. Bis
seine Kollegen von der Spurensicherung einen Raum in der alten Mine
entdecken, in dem offensichtlich vor kurzem jemand gefangen gehalten,
gefoltert und getötet wurde. Die Befragung der Dorfbewohner bringt
zwar
einige Geheimnisse ans Tageslicht, aber alle Spuren verlaufen im
Nichts. Und auch von der Leiche fehlt jede Spur ...
Die Geschichte
dieser Ermittlungen ist die Story des Buches; Norbert Horst
erzählt sie
mit den nun schon bewährten Mitteln. Er wählt konsequent die
Perspektive seines Alter Egos; der Fall wird komplett in einem
kriminalistischen Gedankenstrom Kirchenbergscher Prägung verfolgt.
Spannung ergibt sich dabei einerseits natürlich aus der
Mordermittlung;
insbesondere weil man ja die Sicherheit hat, zwar literarisch
zugespitzte, letztlich aber authentische Polizeiarbeit zu verfolgen.
Andererseits geht es aber immer auch um den Kommissar und seine
Binnenwelt, um seine Gedanken, Probleme, Lüste und Bedenken.
(Ulrich Noller)
2. Platz: Heinrich
Steinfest: Der Umfang der Hölle
(Piper)
Leo Reisiger rettet eine Dame vor
einer Horde Hooligans. Ihr Gatte Siem
Bobeck lädt ihn zum Dank in sein Schloß im
österreichischen Purbach
ein. Leo Reisiger nimmt an, doch der Dank ist nicht von Dauer. Dort
öffnet sich Leo Reisiger der ganze Umfang einer Hölle: Bobeck
ist
Begründer einer Sekte und auf der Suche nach einem legendären
mittelalterlichen Buch. Als Reisiger aus der Hölle entlassen wird,
sitzt er im Rollstuhl, und Bobeck lebt immer noch ...
3. Platz: Wolfgang
Schorlau: Das dunkle
Schweigen
(Kiepenheuer & Witsch)
»Es geht um eine Erbschaftssache«, sagt Robert Sternberg.
Er beauftragt
den Privatermittler Georg Dengler, Licht in eine merkwürdige
Familienangelegenheit zu bringen. In den Unterlagen seiner verstorbenen
Mutter hat er einen Vertrag von 1947 gefunden, in dem sein
Großvater
das alte Schlosshotel in Gündlingen an die Familie Roth
überschreibt.
Ohne erkennbare Gegenleistung. »Vielleicht können wir den
Kontrakt
rückgängig machen«, sagt Sternberg. Der Notar, der den
Vertrag damals
beurkundete, lebt noch. Er rät Georg Dengler von weiteren
Nachforschungen ab. »Lassen Sie die Dinge auf sich
beruhen«, sagt er,
»es bringt kein Glück, alles wieder ans Tageslicht zu
zerren«. Dengler
befragt mögliche Zeugen in dem kleinen Ort – und stößt
auf eine
undurchdringliche Mauer des Schweigens. Schicht für Schicht
enthüllt er
die Lügen um ein unfassbares Verbrechen in den letzten Tagen des
Krieges. Und als er der Wahrheit ganz nahe ist, eröffnen
Unbekannte die
Jagd auf ihn ...
Der zweite Band um den Schwarzwälder Ex-Bergbauernbub,
der nun als Privatdetektiv mitten in der Stuttgarter Altstadt lebt, ist
weder Politkrimi noch Psychothriller und hat doch Elemente von beidem.
Gut 50 Jahre trennen die beiden Ebenen, zwischen denen der Autor in den
78 Kapiteln des klug ausgedachten Romans gekonnt hin und her springt.
Seine liebevoll gezeichneten Figuren und die Verflechtung von Dichtung
und Wahrheit zu einer packenden Geschichte schaffen einen Krimi, der
noch lange nachhallt.
(Michaela Pelz / krimi-forum.de)
International
1. Platz: David Peace: 1974
(Nineteen
Seventy Four)
Deutsch von Peter Torberg
(Liebeskind)
Jeanette Garland,
vermißt gemeldet in Castleford, Juli 1969. Susan Ridyard,
vermißt gemeldet in Rochdale, März 1972. Clare Kemplay,
vermißt gemeldet in Morley am gestrigen Tag. Es ist Freitag, der
13. Dezember 1974, und Edward Dunford tritt seinen ersten Arbeitstag
an. Endlich hat er den Job, den er immer wollte: Reporter bei der
Evening Post. Nur weiß er noch nicht, daß er in den
nächsten elf Tagen durch die Hölle gehen wird. Ein grausamer
Mord wird entdeckt. Zeugen verschwinden spurlos. Und die Polizei
scheint mehr zu wissen, als sie vorgibt ... Als Edward Dunford
herausfindet, daß die Honoratioren der Stadt in den Mordfall
verwickelt sind, beginnt ein Wettlauf mit dem Tod.
Peace beschreibt punktgenau
den Alltag des Journalisten - die
Konkurrenz in der Redaktion, die familiäre Bedrängnis nach
dem Tod des
Vaters, seine leicht verspielte Liebe, seine Abstürze, sein
unbedingtes
Oben-bleiben-Wollen. Die Sprache, derer sich Peace bedient, ist wie ein
Hammerschlag; kurz die Sätze, kein Wort zu wenig, keines zu viel.
Sätze, die wie gehetzt wirken mit dem Gestus des Gepeinigtseins,
stilistisch in der Tradition eines James Ellroy stehend.
David Peace' Kriminalroman ist eine große Klage über den
Mangel an
Menschlichkeit und über Verzweiflung. Die Melodie, die er
anstimmt, ist
manchmal schwer zu ertragen, denn sie klingt wie ein Schrei. Doch wer
hören kann, der höre. Auch wenn es ein schmerzhaftes
Lehrstück ist über
moralischen Verfall und psychosoziales Elend.
(Volker Albers / Hamburger Abendblatt)
2. Platz: Deon
Meyer: Das Herz des Jägers
(Heart of the Hunter)
Deutsch von Ulrich Hoffmann
(Rütten & Loening)
Thobela führt ein
bürgerliches Leben in Kapstadt, Südafrika. Er ist in
Miriam verliebt, kümmert sich um deren Sohn und arbeitet in einer
Motorradwerkstatt. Niemand weiß, daß Thobela ein Killer
war, der im
Namen der Befreiungsbewegung tötete. Bis eines Tages die Tochter
eines
alten Freundes vor seiner Tür steht. Ihr Vater, ein ehemaliger
Regierungsbeamter, ist gekidnappt worden, weil er eine Festplatte mit
belastendem Material besitzt. Thobela eilt seinem Freund zu Hilfe, doch
schon am Flughafen wird er vom südafrikanischen Geheimdienst
abgefangen. Es gelingt ihm zu fliehen - und nach langer Zeit erwachen
seine alten Instinkte wieder. Auf einem Motorrad jagt er quer durch das
Land. Deon Meyer ist mit "Das Herz des Jägers" nicht nur ein
außergewöhnlicher Thriller mit einem besonderen Helden
gelungen - er
führt dem Leser auch vor Augen, welche Veränderungen
Südafrika in den
letzten Jahren erfahren hat.
Die Menschenjagd ist zwar Bestandteil so gut wie jeden Kriminalromans,
erst der Film - Bullitt, French
Connection - hat sie dann aber zu einem eigenen Subgenre werden
lassen, in dem alles auf die erregende Bewegung zweier Menschen durch
den weiten Raum zusammenschnurrt. Meyer inszeniert diese Jagd aus der
Perspektive gleich einer ganzen Reihe von Figuren, der Blickwinkel des
Lesers wechselt ständig von Thobela zu seinen verschiedenen
Jägern zur Presse zur Führungsetage des Geheimdienstes zu
Thobelas Frau, und Meyer schafft es auf diese Weise, das extrem
Sinnliche, das Erregende der filmischen Jagd in den Text
herüberzuretten - eine Meisterleistung, wenn man bedenkt, dass die
rasende Zeit der Literatur so fremd ist wie dem Film der Stillstand.
(Günther Grosser)
3. Platz: Arne Dahl: Tiefer Schmerz
(Europa Blues)
Deutsch von Wolfgang Butt
(Piper )
Eine lange Nadel steckt in seinem Kopf: Es ist ein kühler,
berechnender
Mord, der an dem renommierten schwedischen Hirnforscher und
Nobelpreiskandidaten verübt wird. Warum aber muß der fast
Neunzigjährige auf so qualvolle Weise sterben. Und in welchem
Zusammenhang steht sein Tod mit dem einer fürchterlich
zugerichteten
Leiche, die Paul Hjelm und sein Team im Stockholmer Freizeitpark
Skansen entdecken? Es gibt nur eine Spur, die die Ermittler verfolgen
können: Epivu. Dieses merkwürdige Wort hat der Tote von
Skansen in die
Erde gekratzt - und auch das andere Opfer schien diese Buchstaben
gekannt zu haben. Eine komplexe Mordserie von internationalen
Ausmaßen
hält die Stockholmer Sonderermittler um Kerstin Holm und Paul
Hjelm in
Atem.
Arne Dahls vierter Roman Tiefer
Schmerz ist die Geschichte von vier Verbrechen, die nach langen
und verschlungenen Recherchen einer Spezialeinheit der Stockholmer
Polizei eine verblüffende Auflösung in Weimar erfahren. Mehr
dazu will eigentlich kaum verraten sein, handelt es sich doch um einen
Thriller von solch seltener Brillanz, dass man geneigt ist, den
Genuss nicht durch die Preisgabe allzu vieler Details
schmälern zu wollen. Soviel sei indes gesagt: wer nicht nur das
Verschwinden von acht osteuropäischen Prostituierten aus einem
schwedischen Bordell, dazu die von Vielfraßen im Zoo
verstümmelte Leiche eines Koksers, den grausamen Mord an einem
fast 90jährigen jüdischen Gehirnforscher und den brutalen
Racheakt an einem kleinen Dieb in der U-Bahn in einer einzigen
Geschichte schlüssig zusammenbringt, sondern uns auch noch die
anhaltende Crux des skandinavischen Krimis, die ewigen Teamsitzungen,
ohne große Klagen überstehen läßt und
darüberhinaus eine völlig unlarmoyante Lektion in
europäischer Geschichte mit Schwerpunkt "Schwedische
Verstrickungen in den Holocaust" zu geben vermag, dem gebührt
jeder Preis.
(Günther Grosser)
Die Jury
Kritiker:
Volker Albers (Hamburger Abendblatt) / Andreas Ammer (ARD) / Sönke
Boldt (Badische Neueste Nachrichten) / Jens Dirksen (NRZ) / Joachim
Dörr / Tobias Gohlis (DIE ZEIT) / Günther Grosser (Berliner
Zeitung) / Reinhard Jahn (Bochumer Krimi Archiv) / Hermann Kling /
Ekkehard Knörer (perlentaucher.de) / Alf Mayer / Ulrich Noller
(WDR/DW) / Michaela Pelz (krimi-forum.de) / Wolfgang Platzeck (WAZ) /
Wilhelm Roth (epd) / Jan Christian Schmidt (kaliber38.de) / Erhard
Schütz / Sylvia Staude (Frankfurter Rundschau) / Willy Theobald
(Financial Times Deutschland) / Jürgen M. Thie / Bettina Thienhaus
/ Karl Wegmann (freier Journalist) / Thomas Wörtche
Die Kritiker der Jury stimmen nicht für Titel, an deren
Veröffentlichung sie aktiv beteiligt sind.
Krimi-Buchhandlungen:
Jutta Wilkesmann und Team (Die Wendeltreppe, Frankfurt Main) / Manfred
Sarrazin (Alibi, Köln) / Gabriele Fauser (Glatteis, München)
/ Christian Koch und Team (Hammett, Berlin) / Thomas Przybilka (Missing
Link) / Christine Gümpel (Tatort, Mannheim) / Udo Aschemeyer
(Heiner K., Hamburg) (Robert Schekulin (UFO, Freiburg) / Juliana Hansen
(Under-Cover, Hannover)
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www.deutscher-krimipreis.de |
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