4. Deutscher Krimi
Preis
1988
National
1. Platz:
Peter Zeindler: Widerspiel
(Zsolnay)
Konrad
Sembritzki führt in Bern
das zurückgezogene Leben eines Antiquars, doch hinter der
unauffällig-biederen Fassade verbirgt sich ein Agent des BND. Als
er aus privaten Gründen eine Reise nach Polen wagt, verlangt sich
Sembritzki alsbald in einem Netz undurchsichtiger Affären. Die
Begegnung mit einer geheimnisvollen Polin konfrontiert ihn brutal mit
der Erkenntnis, dass sein Leben keinen Pfifferling mehr wert ist...
Auf den ersten Blick leben
Zeindlers Spionageromane der
achtziger Jahre von der Storyerfindung und der politischen Haltung,
einem
überaus kritischen Blick nicht nur auf die östlichen, sondern
auch auf die
westlichen Geheimdienste. Unverwechselbar aber macht seine Roman eine
Vorliebe
für literarische Anspielungen, sonderbare Codes und Rituale, die
über die
relativ einfache Handlung eine zweite Bedeutungsebene legen. In Widerspiel
ist das ein mittelalterliches Flugblatt, das "Monster von Krakau"
darstellend.
Solche Zeichen machen die Geschichten absurder als sie ohnehin schon
sind, sie
sind ein genauer Ausdruck der Welt der Geheimdienste, in der ja nicht
mehr
wirkliche Probleme gelöst werden (obwohl die Ermordeten sehr
wirklich sind),
sondern Fiktionen geschaffen oder ihnen nachgejagt wird.
(Wilhelm Roth)
2. Platz:
Hans-Werner
Kettenbach: Schmatz oder Die Sackgasse
(Diogenes)
Uli Wehmeiers ganzes Leben ist in Frage gestellt. Seine Frau
erträgt
die Besessenheit, mit der er sich in seine Arbeit als Werbetexter
kniet, nicht mehr. In der Agentur fühlt er sich durch die
Schikanen des
neuen Creative Director immer stärker eingeengt und
abgewürgt. Wehmeier
reagiert auf seine Art, er spielt mit dem Gedanken an einen Mord, als
könne er so die Bedrohung seiner Existenz abwehren.
Hans Werner Kettenbachs Schmatz
verengt die Welt auf den Mikrokosmos des Büroalltages einer
Werbeagentur. Das freilich ist paradigmatisch gemeint und beschreibt,
mit süffisantem Witz, die verzweifelten Versuche der
West-Menschen, in ihrer Leistungsgesellschaft zurecht zu kommen und die
Verluste an Idealen zu ertragen - oder auch nicht.
(Rudi Kost)
3. Platz: Michael
Molsner: Euro-Ermittler - Unternehmen Counter Force
(Piper)
Zwei
ehemalige Studienfreunde und sogenannte 68er geraten in eine
tödliche Auseinandersetzung. Achim von Olmütz, im Lauf der
Jahre etablierter Spitzenmanager eines Elektronikkonzerns, und Ricki,
der geniale Informatiker und Software-Spezialist, dem ein höchst
zweischneidiger Erfolg gelang: die Entwicklung eines Computerprogramms
für Psychotherapie - COPSY genannt. Als der Psycho-Computer in
Produktion gehen soll, sieht
Ricki in der Vermarktung nur mehr einen Verrat seiner Ideale. Ein Fall
für die Euro-Ermittler Markuss
Stauder und Corinna Castrup.
Mit diesen Euro-Ermittlern
hat der gebürtige Stuttgarter Michael Molsner die
Wirtschaftskriminalität spannungsfähig gemacht.
Er, der in seiner Frühzeit die gewiss literarisch
anspruchsvollsten Krimis geschrieben hatte, lockt nun mit
äußerlich gefälliger, auch stark aktionsbetonter Form.
Das ist aber gleichsam eine Mogelpackung. Hinter Unternehmen Counter Force verbirgt
sich ein Computerprogramm für psychotherapeutische Zwecke (das es
dann tatsächlich gab, kaum dass der Autor seine Phantasie hat
spielen lassen) und eine Geschichte, die in den Dunstkreis des
bundesdeutschen linken wie des Südtiroler rechten Terrorismus
führt, mithin in äußerst sensible, von Vorurteilen
belastete Bereiche.
(Rudi Kost)
International
1. Platz: Joseph Wambaugh:
Der Rolls-Roye-Tote
(The secrets of Harry Bright)
Deutsch von Nikolaus
Stingl
(Hestia)
Ein
Millionärssohn wird tot in der Wüste gefunden. War es Unfall
oder Mord?
Joseph Wambaughs Romane aus dem Polizeialltag des Molochs Los Angeles
haben die Genrekonventionen der Cop-Novel, bzw. des Police Procedurals
gesprengt und weit in die Bereiche des Grotesken und der Satire
geführt.
Der Einfluß Wambaughs auf die zeitgenössische Genre- und
genreungebundene Literatur läßt sich mit dem von Chandler,
Hammett und Ross Thomas vergleichen.
(Thomas Wörtche)
2. Platz: Ruth Rendell:
Herzsplitter
(Heartstones)
Deutsch von Ursula Bischoff
(Ullstein)
Die Tagebuchaufzeichnungen einer 16jährigen - eine
spannende und beklemmende Geschichte. Die Schwestern Elvira und Despina
leben mit ihrem verwitweten Vater, einem pedantischen Gelehrten, in
einer beschaulichen englischen Universitätsstadt. Als der geliebte
und
verehrte Vater den Töchtern von seiner geplanten Heirat mit der
jungen
Mary berichtet, beschließt Elvira, dass diese Hochzeit auf keinen
Fall
stattfinden darf.
2. Platz: Ruth
Rendell: In blinder Panik
(Live Flesh)
Deutsch von Ilse Bezzenberger
(Rowohlt)
Seit Jahren ist David Fleetwood an den
Rollstuhl gefesselt. Als
Sergeant hatte er eine Frau aus den Händen eines Verwaltigers
befreien
wollen und wurde dabei zum Invaliden geschossen. Nun schreibt Fleetwood
ein Buch. Ein Buch über sich und über den Täter. Doch
der Verbrecher
ist gerade aus dem Gefängnis entlassen worden. Und es paßt
ihm nicht,
als Psychopath hingestellt zu werden. Also beschließt er,
Fleetwood
einen Besuch abzustatten …
3. Platz: Stan
Lee: Dunn's Dilemma
(Dunn's Conundrum)
Deutsch von Manfred
Papst und Beat Reck
(Benziger)
Die BIBLIOTHEK, eine Schöpfung des brillanten Analytikers Harry
Dunn, ist ein amerikanischer Geheimdienst - so geheim, daß nicht
einmal der CIA genau weiß, was dort vor sich geht. Dunns
Nachrichtenmaschine weiß alles. Denn sie ruft nicht nur per
Computer die geheimsten Sitzungen und Truppenbewegungen im Ostblock ab,
"Microcam"-Wanzen überwachen selbst das, was in den Schlafzimmern
der eigenen Leute passiert, und ein Spezialist untersucht ihre
Mülleimer. Doch einer von Dunns Leuten macht nicht mehr mit. Der
sowjetische Geheimdienst erhält Informationen aus der BIBLIOTHEK.
Wer ist der Maulwurf, den sie den "Doktor" nennen? Dunn muß sich
sogar selber verdächtigen - "der moderne Mensch, der sich auf der
Suche nach sich selbst durch Daten wühlt".
Die
Jury:
Klaus Kamberger / Martina I. Kischke (Frankfurter Rundschau) / Rudi
Kost / Frieder Middelhauve / Alf Mayer (epd) / Werner Mathes (stern) /
Rainer K.G. Ott ("Pulp" / SFB) / Wolfgang Platzeck (WAZ) / Cornelia
Prüfer-Storcks (Ruhr-Nachrichten) / Wilhelm Roth / Erhard
Schütz / Rainer Stiller (Playboy) / Reinhard Jahn
und Werner Puchalla (Bochumer Krimi Archiv)
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