|
|
Die
besten Krimis des Jahres
|
33. Deutscher Krimi
Preis 2017
National
1. Platz: Max Annas: Die Mauer (Rowohlt)
In die »Die Mauer« erzählt Max Annas eine knappe, konzentrierte,
listige Geschichte. Es geht vor allem um Moses, einen schwarzen
Studenten, der auf dem Rückweg von seinem Professor in einer
Vorstadtgegend eine Autopanne hat, und zwar direkt vor einer Gated
Community. Weil Moses' Handy leer ist, sucht er Hilfe dort - und wird
im Handumdrehen vom Hilfesuchenden zum Gejagten diverser Wachleute.
Das hat mit Moses' Hautfarbe zu tun, aber auch mit diversen
Missverständnissen, Fehlschlüssen und Verwechslungen, in dem Areal sind
nämlich noch zwei andere Schwarze unterwegs, die dort nicht offiziell
sein dürfen, weil sie irgendwelche Hilfsjobs machen - Thembikosi und
Nozipho, die sich mit Diebstählen bei Weißen über Wasser halten, weil
sie mit regulären Jobs nicht durchkommen würden. Und die beiden
wiederum entdecken in dem Haus, das sie gerade durchsuchen, die Spuren
eines ganz anderen Verbrechens.
Max Annas hat eine beeindruckende Fähigkeit, schlaue Plots in
konzentrierte, schlanke, fesselnde Thriller zu packen. Das ist schon
sehr klasse, wie er die südafrikanische Gesellschaft mit ihren
(Rassen-)Konflikten an Orten verdichtet, an denen er diese Konflikte in
einer Modell-Anordnung wie auf einer Bühne durchexerzieren kann. Max
Annas bindet die urbane Architektur direkt in die Entwicklung seiner
Story ein, und das gibt dem Ganzen nochmal einen besonderen Effekt.
(Ulrich Noller, WDR)
2. Platz: Simone Buchholz: Blaue Nacht (Suhrkamp)
Hamburg: Weil sie einen Vorgesetzten der Korruption überführt und einem
Gangster die Kronjuwelen weggeschossen hat, ist Staatsanwältin Chastity
Riley jetzt Opferschutzbeauftragte und damit offiziell kaltgestellt.
Das Opfer ist ein Mann ohne Namen, der übel zugerichtet ins Krankenhaus
eingeliefert wird. Alles sehr professionell gemacht, der klassische
Warnschuss. Riley gewinnt nach und nach sein Vertrauen. Bei zwei bis
acht Bier auf der Krankenstation nennt er ihr schließlich einen Namen.
Nicht seinen, aber es ist eine Spur…
Schon zum sechsten Mal schickt Simone Buchholz ihre Staatsanwältin mit
dem ungewöhnlichen Namen Chastity Riley ins Rennen. Präzise im
Hamburger Kiezmilieu verortet, ist Buchholz’ Roman alles andere als ein
Regiokrimi: keine betulichen Morde vor kuschlig-skurriler Kulisse,
sondern die Verschränkung von Wirtschaft, Politik und Verbrechen: Dro-
genhandel auf internationalem Niveau, Korruption und
Mafiaverstrickungen in der Hansestadt.
Dreh- und Angelpunkt ist eine neue Droge, die es wirklich gibt und die
seit gar nicht allzu langer Zeit von Osten her den Markt aufrollt –
billig und hochaggressiv: Krok, auch Krokodil genannt, weil sich die
Haut um die Einstichstelle grünlich verfärbt und verschuppt und an
Krokodilhaut erinnert. Die Konsumenten werden regelrecht von innen
heraus zersetzt.
Kontrapunkt sind die sympathisch gezeichneten Figuren des Krimis: mit
Ecken, Kanten, Seelenschmerzen und Sehnsüchten. Lakonisch-schnoddrig im
Ton, mit einer Milieuseligkeit, die manchmal ins Pathetische zu
rutschen droht, aber doch nie kippt, leichtfüßig-witzig bei aller
Melancholie. »Blaue Nacht« ist zwar der sechste Band der Reihe, eignet
sich aber sehr gut zum Einstieg, da er eine Art Neuanfang darstellt.
(Kirsten Reimers, mord-und-buch.de)
3. Platz: Franz Dobler: Ein Schlag ins Gesicht (Tropen)
Robert Fallner ist ziemlich am Ende. Seinen Job als
Kriminalhauptkommissar ist er endgültig los. Seine Frau wohl auch. Zeit
für einen Neuanfang, den ihm ausgerechnet sein Bruder, selbst Ex-Bulle
und Privatermittler, ermöglicht. Er drängt ihm einen speziellen Fall in
seiner Sicherheitsfirma auf: Den Stalker einer bekannten Schauspielerin
zu stellen, von dem keiner glaubt, dass es ihn gibt.
Dobler erzählt eher mosaikhaft, episodisch, vermischt Narratives mit
inneren Monologen, mit Reflexionen und Anekdotischem, mit streng
durchrhetorisierten Passagen, switcht durch verschiedene Sprachebenen,
hat einen hohen Sinn fürs Komische, fürs Bizarre, fürs Poetische, das
bei ihm auch in den abwegigsten Ecken aufscheinen kann. Nebenbei kommt
dabei noch eine kleine Kulturgeschichte der 70er Jahre zum Vorschein,
all die Moden, Interieurs, Filme (natürlich auch der Neue Deutsche Film
und R. W. Fassbinder) und Musik und die politische Wetterlage
selbstverständlich auch. Tempi passati zwar, aber kein Hauch von
»früher-war-alles-besser«, was nicht heißt, dass heute alles gut ist.
Au contraire.
(Thomas Wörtche)
International
1. Platz: Donald Ray Pollock: Die himmlische Tafel
(The Heavenly Table)
Deutsch von Peter Torberg (Liebeskind)
Georgia, 1917. Der Farmer Pearl Jewett will sich durch seine Armut auf
Erden einen Platz an der himmlischen Tafel verdienen – und seine drei
Söhne darben mit ihm, ob sie wollen oder nicht. Nachdem Pearl von den
Entbehrungen ausgezehrt stirbt, müssen sich die jungen Männer allein
durchs Leben schlagen. Auf gestohlenen Pferden und schwer bewaffnet
plündern sie sich ihren Weg durchs Land.
Pollocks »Himmlische Tafel« ist reich gedeckt. Das ist relevante
Literatur: gespickt mit Wissen um menschliche Sehnsucht, voll bitterer
Komik und getragen von einer skeptischen Moralität, die beim Fressen
beginnt.«
(Tobias Gohlis)
2. Platz: Liza Cody: Miss Terry (Miss Terry)
Deutsch von Grundmann und Laudan (Ariadne bei Argument)
Die englische Grundschullehrerin Nita Tehri sucht keinen Streit, ist
freundlich zu Nachbarn und Kolleginnen, buchstabiert geduldig ihren
Namen, wenn man sie Miss Terry nennt. Eines Morgens wird ihrem Haus
gegenüber ein Container abgestellt, gedacht für den Bauschutt einer
Sanierung. Und plötzlich beginnt eine Hetzkampagne, für die Nita nicht
gewappnet ist.
Liza Cody lässt in der stillen, unauffälligen Straße an der Themse alle
Hässlichkeit und jede Variante der Fremdenfeindlichkeit ausbrechen. Und
es hilft nicht, dass Nita Tehri Lehrerin ist – es macht die Sache nur
schlimmer, dass sie gebildeter, »privilegierter« ist als die meisten
ihrer Peiniger. »Die reizende Nita« - so die Überschrift des ersten
Kapitels - war doch gerade noch ein Paradebeispiel gelungener
Integration; nun muss sie fürchten, bald Job und Wohnung los zu sein.
»Miss Terry« erschien im Original bereits vor vier Jahren, als der
Brexit und die Attacken zum Beispiel auf polnische Arbeiter in England
noch kein Thema waren. Manches liest sich nun erschreckend hellsichtig.
(Sylvia Staude, Frankfurter Rundschau)
3. Platz: Garry Disher: Bitter Wash Road (Bitter Wash Road)
Deutsch von Peter Torberg (Unionsverlag)
In der Nähe von Tiverton, einer Kleinstadt in Australiens Nirgendwo,
wird ein Mädchen tot am Straßenrand gefunden. Constable Paul
Hirschhausen, genannt Hirsch, übernimmt den Fall. Er glaubt nicht an
einen Unfall mit Fahrerflucht. Einsam und isoliert durchquert der
Constable die unwirtliche Landschaft, vorbei an mageren Schafen,
schäbigen Höfen, stellt unbeirrt seine Fragen und lernt eine Kleinstadt
kennen, unter deren Oberfläche Enttäuschung und Wut, Rassismus und
Sexismus brodeln.
»Bitter Wash Road« ist ein funkelndes Meisterwerk, es erzählt
einfühlsam vom langsamen Bröckeln aller zivilisatorischen
Errungenschaften und von jenem bisschen Mut, das einer aufbringen muss,
um die Lawine aufzuhalten. Das Highlight des Krimi-Jahres.«
(Günther Grosser, Berliner Zeitung)
Die Jury
Volker Albers (Hamburger Abendblatt) / Andreas Ammer (ARD) / Monika
Dobler (Krimibuchhandlung Glatteis,
München) / Tobias Gohlis (Die Zeit) / Joachim Feldmann (Kritiker) /
Günther Grosser (Kritiker) / Cornelia Hüppe (Krimibuchhandlung Miss
Marple, Berlin) / Reinhard
Jahn (Bochumer Krimiarchiv) / Hermann Kling / Christian Koch
(Krimibuchhandlung Hammett, Berlin) / Hans W. Kohlmann
(Krimibuchhandlung Whodunnit, Leipzig) / Alf Mayer (CrimeMag) /
Peter Münder (Kritiker) / Wolfgang Niess (SWR) / Ulrich Noller (WDR) /
Michaela Pelz (krimi-forum.de) / Thomas Przybilka (BoKAS) / Kirsten
Reimers (Kritikerin) / Robert Schekulin (Buchhändler) / Jan C. Schmidt
(kaliber38.de) / Sylvia Staude (Frankfurter Rundschau) / Bettina
Thienhaus (Kritikerin) / Jutta Wilkesmann (Krimibuchhandlung Die
Wendeltreppe, Frankfurt) / Thomas Wörtche (Kritiker)
Die Kritiker der Jury stimmen nicht für Titel, an deren Veröffentlichung sie aktiv beteiligt sind.
Der Deutsche Krimi Preis...
...ist der älteste deutsche
Krimipreis. Seit 1985 zeichnet eine Jury aus
Krimi-Kritikern, Literaturwissenschaftlern und Krimi-Buchhändlern
die besten Kriminalromane des Jahres aus.
Mit dem Deutschen Krimi Preis - vergeben in den Kategorien National und
International - werden jeweils drei Romane gewürdigt, die
"inhaltlich originell und literarisch gekonnt dem Genre neue Impulse
verleihen."
Der Deutsche Krimi Preis ist undotiert und wird - ungewöhnlich in
der Szene der Literaturpreise - in der Regel nicht öffentlich verliehen,
sondern lediglich der Öffentlichkeit bekannt gegeben.
Auf dieser Seite finden Sie neben einem Verzeichnis aller
ausgezeichneten Romane Informationen darüber, wer zur Jury gehört und wie die Teilnahmebedingungen
sind.
Außerdem können Sie sich über die Entstehung und
Geschichte des Preises informieren und etwas über die 119 besten
Krimis aller Zeiten erfahren, die von einer Jury ermittelt wurden.
Für alle Fragen, die nicht in der FAQ
zum Deutschen Krimi Preis beantwortet werden, gibt es die
Möglichkeit, diskret Kontakt mit dem
Organisator aufzunehmen.
|
|
www.deutscher-krimipreis.de |
|